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#002 | This is a man’s world.

Is it though? Or is it a woman’s world?

Am 18. Februar 2022 fanden sich 13 engagierte Personen zusammen, um die folgende Fragestellung zu beleuchten: Is this a man’s world? Warum sind Frauen in Führungspositionen und als Gründerinnen unterrepräsentiert? Sabrina Paul, Marie Ueckeroth und Nicole Haas haben sich dazu bereit erklärt, eine Speaker-Rolle einzunehmen. Alle weiteren Teilnehmer waren nicht weniger vocal, sodass die ganze Veranstaltung zu einer vielfältigen und vor allem inspirierenden Sache wurde. Auch wenn wir das Event sorgfältig vorbereitet haben und ein solches Gründersandwich bereits zum zweiten Mal (online) stattgefunden hat, sind wir immer noch erstaunt, wie natürlich sich sowohl große Diskussionsrunden als auch die anschließenden Gespräche in kleineren Kreisen entwickelt haben. Das Feeling, welches sich in einem Netzwerk-Event in Präsenz einstellt, ist mit Gather zu einem großen Teil reproduzierbar. Für jeden, der nicht dabei sein konnte, hier also eine große Zusammenfassung der Beiträge:

Sabrina Paul – Coaching

Einst Personal Trainerin, jetzt Coach für den Bereich Achtsamkeit und Resilienz, berufliche Neuorientierung und Social Media Marketing – Sabrina Paul hat vielerlei Erfahrungen als Angestellte sowie Selbstständige gesammelt und identifiziert den wichtigsten Grund der Unterrepräsentation von Frauen in der Prägung durch die Herkunftsfamilie. Großeltern und Mutter waren lange Zeit in der Gastronomie selbstständig, während ihr Vater als Meister in einem Betrieb arbeitete. Sie hatte also zumindest ihre Mutter als nächstes unternehmerisches Vorbild. Nicht nur damals, sondern auch heute kommt es darauf an, wie Mädchen erzogen werden. Wir sind Kinder einer Generation, die die klassische Rollenverteilung noch miterlebt hat. Als Kind identifiziert man sich mit seinen Eltern und zwar geschlechterspezifisch. Mädchen gucken sich im Durchschnitt mehr von ihren Müttern ab, während Jungs ihren Vätern nacheifern. Auch wie die Mutter den Vater unterstützt bzw. wie der Vater der Mutter unter die Arme greift formt schon früh unser eigenes Rollenbild. Das alles kann von vorneherein begünstigen, dass ein Mädchen als Frau Führungsperson oder Gründerin wird oder eben dabei behindern. Einen weiteren Faktor stellt die Schule dar. Wenn Berufe vorgestellt wurden, dann erfolgte dies ebenfalls klassisch – Männerberufe vs. Frauenberufe. (Der Girl’s Day ist eine vergleichsweise neue Erfindung.) Mit Unternehmer:innen kam man schon gar nicht in Kontakt. Das spiegelt nicht speziell den Mangel an Frauen in Führungsrollen wieder, sondern vor allem die fehlende unternehmerische Bildung im Allgemeinen, völlig unabhängig von Überlegungen über Mann oder Frau. Argument Nummer 3, und hier entfernen wir uns noch ein bisschen weiter weg von der ursprüngliche Frage, im Gesamtzusammenhang ist das allerdings wichtig: “Wenn jemand sagt ‘Unternehmer, Arzt, Selbstständiger’, was hast du für Bilder im Kopf? Ich seh Männer, ich seh keine Frauen.” Sprache beeinflusst unsere Gedanken und anders herum. Eine Kombination aus Erziehung, Bildung und Sprache ist laut Sabrina also der potentielle Grund für nur knapp 16% weiblicher Startups (Female Founders Monitor 2020), alles Aspekte des Lebens, die aufgrund ihres überaus langfristigen Charakters nicht von jetzt auf gleich auf links gedreht werden können.

Marie Ueckeroth – herzhaft snacks

Nach dem Abitur eine Ausbildung als Zahnarzthelferin, bei der sie die Vor- und Nachteile des untersten-Glied-Seins gespürt hat und die den Wunsch erweckte, ihre eigene Chefin zu werden, dann ein Bachelor-Studium der Ernährungswissenschaften, aktuell der Master und eine unmittelbar bevorstehende Gründung in der Food-Branche – das sind nur einige Stationen in Marie Ueckeroths Leben. Als ungeduldiger und (damit? 😅) lösungsorientierter Mensch verabschiedete sie sich von ihrem Traum, Ärztin zu werden und machte ihr Hobby zum Beruf. Statt dem als typischer empfundenen Weg zur Ernährungsberaterin schlug sie den der Produktentwicklung ein. Maries sehr gut vorbereiteter Plan ist es, einen herzhaften Riegel auf den Markt zu bringen. Trotz ihres Fleißes und ihrer Detailtreue hatte sie oft das Gefühl, dass hochrangige Verantwortliche der Lebensmittelindustrie sie müde belächeln – Sologründerin? Unschaffbar! Es wären Millionen nötig, um auch nur zu starten! Die Suche nach einem Hersteller, der die gleichen Werte teilt und dazu noch das unmittelbare Potential des Produktes sieht, war nicht ohne. Immer wenn die junge Frau sich abends von einem enttäuschenden Gespräch hat runterziehen lassen, stand sie am nächsten Morgen umso beschwingter auf, denn sie dachte sich “Ok, wie kann ich’s denen jetzt zeigen?”. Täglich gelebter Kampfgeist gepaart mit Spaß scheint eines der Rezepte zu sein, wie man mit solchen Erlebnissen umgeht. Sie hat auch einen Erklärungsansatz für das Gefühl als Gründerin nicht ernst genommen zu werden: Viele Frauen gründen in Bereichen, die in einer (technischen) Hype-Startup-Welt wenig bis gar keine Beachtung bekommen. Interessanterweise zählt sie dabei genau solche Bereiche auf, die von Sabrina als in der Schule vorgestellte Frauenberufe referenziert würden: Wedding Planning, Soziales, Coaching, Yoga. In solchen Feldern fällt es den Frauen, die sie kennengelernt hat, schwer, selbstbewusst zu sagen: Mein Produkt ist das beste, das tollste, das innovativste! Bei Entscheidungen über die Vergabe von Stipendien kommt so etwas gar nicht gut. Damit schleicht sich der Eindruck ein, als hätte man nur eine Chance, wenn man ein Patent angemeldet, x Finanzierungsrunden hingelegt hat und der Verkauf mindestens eines Unicorns bereits in greifbarer Nähe ist.

Anmerkung des Autors: Das erinnert mich Stellenausschreibungen für frisch gebackene Master-Absolventen, die mit 25 Jahren gleichzeitig 15 Jahre einschlägige Berufserfahrung haben sollen, also ein absurdes Umdrehen einer realisierbaren Timeline.

Hinzu kommen artikulierte Zweifel aus dem privaten Umfeld, vor allem von Frauen selbst: “Warum willste das denn jetzt machen? Das ist doch total unsicher! Was ist denn, wenn de mal ne Familie willst?”

Anmerkung des Autors: Funny enough, auch hier wird durch ungelegte Eier abgelenkt.

“Ein starker Mittelstand ist wahnsinnig wichtig für unsere Gesamtwirtschaft!” entgegnet Marie und gibt vielen der oben genannten Kontra.

man's world

Nicole Haas – Gründerschmiede Remscheid

Die dritte Bunde, die sowohl ihre eigenen Erfahrungen als auch die Punkte der beiden anderen aufgreift, ist Nicole Haas. Wenn man nach ihr googlet, findet man schnell den Hashtag #gruendermutti. Das liegt nicht an ihrem Alter, sondern daran, dass sie Startups von der Idee bis zum Wachstum begleitet und zwar so, dass diese dann auch ausziehen und ab und zu zum Kaffee trinken vorbeikommen. “Ich kümmere mich um Startups und kämpfe gerne für sie. Dabei kann ich zu einer Löwenmama werden.”, sagt sie. Ein Statement, an das man sich lange erinnert. Ihr bisheriger Berufsweg: Industriekauffrau gelernt und viele Jahre darin gearbeitet, Interesse fürs Marketing entdeckt und Psychologie studiert, früh Verantwortung bekommen und diverse Positionen in Unternehmen durchlaufen. Sie sagt, es gibt eine spürbare gläserne Decke für Frauen. An der kann man sich die Stirn blutig schlagen oder sich rechts und links bewegen. Als sie von Letzterem genug hat, begibt sie sich von der Teil- in die Vollselbstständigkeit – all in. Ihre Spezialgebiete sind Unternehmensberatung, Startups und Personal Branding, zudem ist sie freie Dozentin an der Uni Köln. Bei diesem Job fokussiert sie das Thema neues Arbeiten bzw. mitarbeiterorientiertes Arbeiten. Zum Titel Gründermutti ist sie über die Gründerschmiede Remscheid gekommen. Dort managet sie Projekte, die ihr persönlich am Herzen liegen bspw. aktuell “Urbane Manufakturen”.

Maries richtige Wahrnehmung hinsichtlich der verschiedenen Behandlung von Tech-Hype-Startups und “klassischen” Gründungen erklärt sie so: Die beiden sind einfach unterschiedlich. Startups wollen mit der ersten Idee so schnell wie möglich wachsen, verkaufen und mit der Kohle neue Ideen verfolgen – mit Volldampf voraus ins Unternehmertum. Klassische Gründer:innen wollen bei ihrer ersten Idee bleiben, diese immer weiterentwickeln, für sich und ein paar Mitarbeiter:innen einen Lebensunterhalt bestreiten – Selbstständigkeit eben. Damit können und müssen Startups in Verhandlungen, vor allem, wenn es um Finanzierungen geht, härter sein, mehr fordern.

Nicole ist gerne provokativ unterwegs, sagt sie von sich selbst. Wenn sie an Sabrinas Argument der Sozialisierung und an Maries Erklärungsansatz für das Gefühl des nicht-ernst-genommen-Werdens denkt, dann kann beides als Ausruhen darauf interpretiert werden. Reinen Frauennetzwerken bringt sie folgende Kritik entgegen: “Wir müssen uns an die Hand nehmen gegenseitig. Für mich klingt das immer so, als müsste da jemand wie ein Kind an die Hand genommen werden. Es sind aber Frauen, die ‘ne Idee haben, die ‘n Business gründen wollen!” In ihrem letzten Workshop mit lauter Unternehmerinnen stellt sie die Aufgabe “Wie sieht eine Frau in Führung aus? Male ein Bild.” Das Ergebnis ist bei allen ein klassisches Stock Photo – niedliche Frau im Bleistiftrock auf hohen Hacken, bloß die Haarfarben unterscheiden sich. “Keine von diesen Frauen, die alle Unternehmerinnen sind, hat sich selbst gemalt, keine! So ist auch die Selbstwahrnehmung. Dass sie nie ausreichen würden, dass immer noch irgendwas fehlt im Gegensatz zu ‘nem Mann, der reingeht und sagt: Ihr müsst mir erst einmal beweisen, dass ich nicht in Ordnung bin, viel Spaß.”

Ja, Sozialisierung im Elternhaus, in der Schule, in der Uni ist ein wichtiger Faktor. Tatsache kann sie sich nur langsam wandeln, allerdings hat sich bereits unsere Muttergeneration in die Gleichberechtigung reingearbeitet. Wir müssen uns heute nicht mehr daran aufreiben, sondern gehen ins Handeln über und da ist gerade der Alltag relevant. Wenn Frauen in der Kaffeepause Bilder ihrer kleinen posierenden Töchter im neuen rosa Kleid bei den Kolleginnen präsentiert, müssen sie sich fragen, ob sie das Spinnennetz der verteufelten klassischen Rollen nicht nur weiterspinnen.

Last words vom dreigruendereck

An dieser Stelle müssen wir uns schon ganz herzlich bei allen Teilnehmer:innen bedanken! Wie eingangs erwähnt, hat sich nahezu jeder intensiv an der Diskussion beteiligt. Der zweite Teil der Aufzeichnung ist allerdings aufgrund von plötzlichen Verbindungsproblemen so zerstückelt, dass ich mit meinen eigenen paar Notizen den entsprechenden Wortmeldungen nicht gerecht werde. Ich gelobe Besserung und freue mich auf das nächste Gründersandwich, welches aller Voraussicht nach in Präsenz stattfinden wird und, so entnehmen wir dem Feedback, Vertrieb thematisieren wird.

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